Messung von suprafrequenten Oberschwingungen mit breitbandigen Spannungssensoren auf MS-Ebene im Bayernwerk und REWAG Netzgebiet 

Johannes Eller

Die Oberschwingungsbelastung der Netze rückt durch den vermehrten Einsatz von Umrichtern sowohl bei Verbrauchern, als auch im Erzeugungsbereich immer mehr in den Fokus. Aktuell wird in der Normung lediglich die Einhaltung eines Grenzwerts bis 2 kHz gefordert (DIN 50160). Messungen zeigen jedoch, dass beispielsweise die Ladeumrichter von Elektroautos eine hohe Belastung um 50 kHz hervorrufen [1]. In diesem Frequenzbereich werden jedoch nur selten Power-Quality-Analysen durchgeführt. Im Projekt neos (NetzEntwicklungStrom) hat sich die Bayernwerk Netz GmbH und REWAG AG gemeinsam mit den beteiligten Partnern OTH Regensburg, ZAE Bayern, Maschinenfabrik Reinhausen und SGB SMIT zur Aufgabe gemacht, erstmals im Netzgebiet eine aussagekräftige Oberschwingungserfassung bis 150 kHz auf Mittelspannungsebene durchzuführen.

Normative Vorgaben an die Spannungsqualität

Die einzuhaltenden Merkmale der Spannungsqualität im öffentlichen Energieversorgungsnetz regelt DIN EN 50160 in der aktuellen Ausgabe 11-2020. Sowohl für die Nieder- als auch für die Mittelspannung gelten ähnliche Grenzwerte für Oberschwingungsanteile bis 2 kHz. Darüber hinaus sind derzeit Verträglichkeitspegel (DIN EN 61000-2-12 für die MS mit Verweis auf DIN EN 61000-2-2 für die NS) definiert. Darüber hinaus sind in Mittelspannungsnetzen bis 100 kHz lediglich maximale Signalspannungspegel für Netzkommunikationsanlagen verpflichtend einzuhalten. Für sonstige Netzteilnehmer und jenseits von 100 kHz wird derweil im Normungsgremium beraten. Für diese verweist die Norm informativ auf Richtwerte zur elektromagnetischen Verträglichkeit, welche für die Niederspannung (DIN EN 61000-2-2 A2) seit Mai 2020 auch Verträglichkeitspegel bis 150 kHz aufweist. Die zur Bewertung herangezogenen Störpegel sind in Abbildung 1 zu sehen. Es ist zu erwarten, dass diese Werte in die DIN 50160 Einzug erhalten und mittelfristig auch auf die MS-Ebene adaptiert werden.

Messequipment

Im Vorfeld der Messungen wurden zwei Netzanalysatoren, die geeignet erscheinen, um im Mittelspannungsnetz suprafrequente Spannungsharmonische über einen Zeitraum von etwa einem Jahr aufzuzeichnen für weitergehende Tests ausgewählt. Neben der PQ-Box-300 wurde auch das flexible Messsystem sirius-i der Firma dewsesoft getestet. Die Entscheidung für die weitere Verwendung fiel, nach einem mehrwöchigen Test, zugunsten des Geräts von a-eberle aus. Das Gerät ist zwar weniger flexibel, war in der Handhabung aber weniger komplex und zuverlässiger. Neben der PQ-Box-300 des fränkischen Herstellers a-eberle wird seit Anfang 2020 mit dem PQA8000 der Firma neo-Messtechnik eine interessante Alternative angeboten.

Da konventionelle induktive Spannungswandler Resonanzstellen aufweisen, sind sie für die Beurteilung von hochfrequenten Oberschwingungen nicht geeignet. Ohmsch-kapazitive Spannungsteiler versprechen aufgrund ihres stetigen Übertragungsverhaltens verlässlichere Messungen. Die Hersteller RITZ-Instrument Transformers sowie MBS AG bieten Sensoren mit breitbandigem Übertragungsverhalten an. Im Versuch werden sowohl die günstigeren Sensoren der Firma MBS (Einbau in DIN-Kabelstecker, statt eines Blindverschlusses, siehe Abbildung 4), als auch Sensoren der Firma RITZ (Metallgekapselte Sensoren mit DIN Kabelanschluss) getestet. Letzterer parallel im Vergleich mit einem nicht optimierten Spannungssensor von MBS, dessen Übertragungsverhalten im Nachhinein über das zuvor ermittelte Übertragungsverhalten korrigiert wird.

Auswahl der Versuchsstandorte

Für einen möglichst umfassenden Überblick über die aktuelle Oberschwingungsbelastung im Netz werden die Messungen an vier Standorten mit unterschiedlicher Netzstruktur installiert. Im Umspannwerk Lilienthalstraße startete die Messung Mitte Juli 2020 mit einem Sensorsatz der Firma RITZ sowie einem Sensor der ersten Generation der Firma MBS. Weitere Standorte folgten Ende 2020 mit den weiterentwickelten Sensoren des Herstellers MBS.

Versuchsaufbau

Der gesamte Messaufbau ist schematisch in Abbildung 3 dargestellt. Die eigentliche Messung links funktioniert unabhängig von den Kommunikationseinheiten, welche lediglich zur regelmäßigen und gesammelten Übertragung von Messdaten dient.

Die Sensoren der Firma MBS können statt der Kabel-Blindstopfen an geeigneter Stelle im UW eingebaut werden. Die Sensoren der Firma RITZ benötigen einen eigens installierten Kabel-anschluss, was ebenfalls für luftisolierte Schaltanlagen gilt und im UW Lilienthalstraße umgesetzt wurde (siehe Abbildung 4). Stromwerte werden an vorhandenen induktiven Wandlern abgegriffen. Die Übertragung der Messdaten zu den Forschungseinrichtungen und die Überwachung der Messung erfolgt durch einen VPN-Tunnel über das LTE-Netz.

Abbildung 4 Messaufbau im UW Lilienthalstraße links: Montage der Wandler in einem freien Abgangsfeld; Mitte: Detailaufnahme MBS-Spannungssensor; rechts: Messequipment im Abgangsfeld neben den Spannungssensoren

Erste Messergebnisse

Seit Mitte Juli 2020 ist die Messung im Umspannwerk Lilienthalstraße aktiv. Aus dem ersten halben Jahr lassen sich bereits einige Aussagen über die Spannungsqualität treffen, die es im weiteren Verlauf zu bestätigen gilt. Die Oberschwingung 5. und 7. Ordnung zeigt den höchsten Pegel (Abbildung 5 links), welcher mit max. 70 % stets deutlich unterhalb des Grenzwerts und nur in 0,1 % der Fälle überhaupt über 51 % des zul. Grenzwertes liegt. Deutlich geringer fällt der Pegel bei höheren Frequenzen aus, bereits ab 4 kHz bleibt dieser dauerhaft unterhalb von 1 % (Abbildung 5 rechts).

Im Bereich der suprafrequenten Oberschwingungen (Abbildung 6) liegt der Absolut gemessene Oberschwingungspegel - auf Mittelspannungsebene im gesamten Frequenzbereich – durchgängig bei etwa 1 bis 2 Volt. Werden diese, als erste Orientierung, auf die für die NS-Ebene veröffentlichten Verträglichkeitspegel bezogen (DIN EN 61000-2-2 A2), ergeben sich, bei hohen Frequenzen durch die steil abfallende Grenzwertkurve (vgl. Abbildung 1) Pegel bis etwa 60 %.

 
 

Zwischenfazit

Obwohl in der Normgebung die zukünftige Relevanz von Oberschwingungen bis 150 kHz bereits betont wird, sind am Markt noch kaum geeignete Netzanalysatoren bzw. Spannungssensoren zu finden. Mit deren Einsatz steht und fällt jedoch die plausible Beurteilung einer eventuellen Belastung. Außerdem ist der Normgebungsprozess nicht abgeschlossen, weshalb die Störpegel auf MS-Ebene derzeit nur adaptiert und abgeschätzt werden können. Im städtischen Gebiet konnten bei den bisherigen Messungen keine unerwarteten Erscheinungen festgestellt werden, zur Beurteilung des Einflusses von Einspeisewechselrichtern werden nun im ersten Quartal 2021 weitere Messungen an weiteren Standorten durchgeführt werden. Zusätzlich zu den Oberschwingungen werden die Messungen in den nächsten Monaten auf Störereignisse und die Spannungs- bzw. Frequenzabhängigkeit des unterlagerten Netzgebiets untersucht.

Literatur

[1] a-eberle 2018: Sonderdruck – Bewertung von Supraharmonischen bis 150 kHz bei E-Mobilen an der TH Bingen