Proaktive Kühlstrategien für Leistungstransformatoren als Chance zur kurzfristigen Integration von EE-Anlagen

 

Johannes Eller

Der stetige Zubau von EEG-Anlagen in den letzten Jahren sowie die Notwendigkeit einer weiteren Erhöhung des EE-Anteils erschwert es, dem nach § 5 EEG verpflichteten Netzbetreiber immer mehr, einen geeigneten Verknüpfungspunkt in kurzer Zeit zur Verfügung zu stellen, da Baumaßnahmen im Stromnetz größtenteils einem teils mehrjährigen Planungs- und Umset-zungsprozess unterliegen. Die damit verbundene Wartezeit gefährdet nicht nur das Erreichen von Ausbauzielen, sondern kann Investitionsvorhaben unwirtschaftlich machen. Um dieser Problematik zu begegnen wurden im Projekt neos ausgewählte Lösungsmöglichkeiten gesucht, mithilfe intelligenter Systeme diese Zeiten zu verkürzen. Eine dieser Optionen ist die an der OTH Regensburg neu entwickelte dynamische Anpassung der Regelbandbreite (dynRBB) von Regeltransformatoren. Dazu gibt ein Sensor am spannungskritischen Knoten bei Überschreitung einer definierten Spannungsschwelle oder die Strom- bzw. Leistungsmessung am Transformator ein Signal an den Spannungsregler, woraufhin die Regelbandbreite temporär um z. B. ein Prozent reduziert wird. Diese Reduktion kann direkt und sofort als zusätzlich nutzbares Spannungsband zum Anschluss von Kundenanlagen eingeplant werden. Die Wirkungsweise der dynRBB wurde bereits vorgestellt. Im Nachfolgenden geht nun um ein anderes in neos untersuchtes Instrument, um die Aufnahmefähigkeit des Netzes mit dem bestehenden Asset zu erhöhen. Da die Belastbarkeit von Leistungstransformatoren in hohem Maße von den thermischen Verhältnissen abhängt, wurde die Idee untersucht, ob durch vorrauschhauende Kühlung eines Transformators die maximal übertragbare Leistung vielversprechend erhöht werden kann.

Technischer Hintergrund der Transformatorbelastbarkeit

Die maximale Lebensdauer von Transformatoren hängt im Wesentlichen von der Alterung der verwendeten Materialien im Isolationssystem, meist Papier und Öl, ab. Die Materialien zersetzen sich bei hohen Temperaturen, weshalb sowohl bei der Dimensionierung als auch im Betrieb das Hauptaugenmerk auf der Prognose und Bestimmung der Heißpunkttemperatur (Hot-Spot-Temperatur) liegt. Gelingt es die Temperatur im Transformator durch geeignete Maßnahmen niedrig zu halten, erhöht sich damit die erwartete Lebensdauer. Im Umkehrschluss kann eine optimierte Kühlstrategie die maximale Belastbarkeit erhöhen, ohne die Lebensdauer massiv zu verkürzen.

Die Abschätzung der Transformatoralterung unter Berücksichtigung der Dynamik von Belastung und Umgebungsbedingungen ist in DIN IEC 60076-7 [1] beschrieben und teilt sich in zwei Teilprozesse (vgl. Abbildung 1) auf, die Bestimmung der Hotspottemperatur im Transformator und darauf aufbauend die Berechnung des, ebenfalls schwankenden, relativen Lebensdauerverbrauchs.

 
 

Die Hotspottemperatur im Transformator setzt sich, wie in Abbildung 2 zu sehen, aus dem Einfluss der Umgebungstemperatur auf das Öl, die Übertemperatur der obersten Ölschicht und der Übertemperatur des Hotspots zusammen. In die Berechnung gehen dabei bauartspezifische Konstanten sowie insbesondere die hohe thermische Zeitkonstante des Transformatoröls, zur Abbildung der Zeitverzögerung der Ölerwärmung, mit ein. Die Wirkungsweise der forcierten Luftkühlung ist implizit durch veränderte thermische Parameter zu berücksichtigen, deren Ermittlung im Fokus der Untersuchungen lag.

Die Alterung von Transformatoren wird durch die relative Alterungsrate  bestimmt. Diese beschreibt die relative Alterung eines Transformators in Bezug auf die Nennalterungsrate bei Nenntemperatur von  [2]. Ausgehend von diesem Betriebspunkt hat jede Erhöhung der Hotspottemperatur um  eine Verdopplung des Lebensdauerverbrauchs, bzw. eine Halbierung der Lebensdauer, zufolge.

 
 

Feldversuch und Modellbildung

Da der Einfluss der Kühlung durch die in der Norm zur Verfügung gestellten Parameter nur sehr ungenau abgebildet wird, wurde ein zweistufiges Simulationsverfahren (wie in Abbildung 4 schematisch dargestellt) durchgeführt.

Zur Bestimmung es realen Temperaturverhaltens wurde in einem Feldversuch an einem hoch ausgelasteten HS/MS-Transformator in der Region Straubing die Kühlung abwechselnd über einen Wochenzyklus dauerhaft aktiviert und deaktiviert. Aus dem Lastverhalten, der Umgebungstemperatur und der resultierenden Top-Oil-Temperatur konnte das Simulationsmodell trainiert werden, um eine möglichst gute Nachbildung der Versuchsergebnisse zu erzielen. Das Resultat ist eine deutlich genauere Nachbildung (vgl. Abbildung 5) der Messung (rote Kurve) durch das trainierte Modell (gelb) im Vergleich zu den Ergebnissen des Modells mit Parametern aus der Norm (violett). Zusätzlich ergibt sich die Möglichkeit zur Nachbildung des Einflusses der Lüfter, welche eine deutliche Temperaturreduktion verursachen (links).

Vorausschauende Kühlstrategie

Gängige Kühlstrategien aktivieren die Kühlgebläse bei Überschreitung einer bestimmten Grenztemperatur. Dadurch werden Temperaturspitzen abgefedert und den Transformatoren durch die geringere Alterungsrate eine höhere Belastbarkeit zugesprochen. Somit erhöht sich Beispielsweise die Nennlast eines 34,5 MVA Transformators auf 40 MVA. Die Temperatur des Transformators reagiert sehr träge auf die Belastung, weshalb auch die Kühlung stark verzögert einsetzt. Aus diesem Grund bieten einige Hersteller an, die Kühlung bei Überschreitung von Belastungsgrenzen zu aktivieren. Da gerade bei stark durch Einspeisung geprägten Transformatoren die Belastung gut prognostizierbar ist, entstand die Idee einer vorausschauenden Kühlung bereits in den frühen Morgenstunden, um das Temperaturniveau über den gesamten Tag niedriger zu halten. Die Simulation unter der Belastung eines Einspeiseprofils einer Photovoltaikanlage (vgl. Abbildung 6) zeigt, dass die rudimentäre Aktivierung der Kühler um 6 Uhr morgens bei Nennlast eine Reduktion des Lebensdauerverbrauchs um über 50 % zur Folge hat.

Fazit

Die Simulationen in neos zeigen, dass eine vorausschauende Kühlstrategie einen weiteren teils deutlichen lebensdauererhöhenden Effekt bewirken kann. Dies kann umgekehrt genutzt werden, die Anschlussleistung eines Transformators ohne negative Auswirkung auf die Alterung gegenüber den heutigen Auslegungswerten zu erhöhen. So konnte die Forschungsfrage von neos erfolgreich und positiv beantwortet werden, ob eine „proaktive“ Kühlung zu nennenswerten Potenzialen der stärkeren Ausnutzung von Transformatoren führt. Eine tiefergehende quantitative Untersuchung der möglichen Temperaturreduktion und damit zusätzlichen Belastbarkeit, deren Ergebnis die Entwicklung spezifischer Kühlstrategien sowie neue konkrete Auslegungsparameter für die Netzplanung hervorbringt, war nicht Gegenstand von neos, steht daher noch aus und müsste in einem Nachfolgeprojekt durchgeführt werden. Hierbei gilt es die Maßnahme auf ihre Wirtschaftlichkeit hin zu untersuchen, da dem Gewinn an Übertragungsleistung Verluste durch die Lüftermotoren, ein höherer Verschleiß dieser sowie nicht zuletzt höhere Lärmemmissionen entstehen.

Literatur

[1]     Leistungstransformatoren - Teil 7: Leitfaden für die Belastung von ölgefüllten Leistungstransformatoren, DIN IEC 60076-7, Deutsche Kommission Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik im DIN und VDE, Berlin, Feb. 2008.

[2]     Y. Bicen, Y. Cilliyuz, F. Aras und G. Aydugan, „An assessment on aging model of IEEE/IEC standards for natural and mineral oil-immersed transformer“ in 2011 IEEE 17th International Conference on Dielectric Liquids (ICDL), Trondheim, Norway, 26.06.2011 - 30.06.2011, S. 1–4, doi: 10.1109/ICDL.2011.6015442.