Engpassmangement

Merkmal einer zuverlässigen Stromversorgung ist die Einhaltung von Spannungsbandgrenzen und der maximalen Auslastung von Leitungen. Andernfalls kann es zu Überlastungen und Störungen der Betriebsmittel kommen. Grundsätzlich sind die Netzbetreiber deswegen nach § 11 EnWG zu einem sicheren, zuverlässigen und diskriminierungsfreien Netzbetrieb verpflichtet. Netzausbau und Netzoptimierung sind somit, soweit wirtschaftlich zumutbar, ebenfalls verpflichtend.

Trotzdem können im Netz kritische Situationen auftreten, die in einem Engpass resultieren. Allgemein können folgenden vier Ursachen unterschieden werden:

  • Wartung (selten): Turnusmäßige Istandsetzungen von Netzbetriebsmitteln oder Leitungen, aus denen Netzengpässe entstehen. An neuralgischen Punkten, z.B. bei Nord-Süd Verbindungen, können ungünstige Leitungsabschaltungen wegen Wartungsarbeiten eine erhebliche Belastung für die parallelen Verbindungen darstellen.
  • Unvorhersehbare Eregnisse (sehr selten): Sämtliche Einflüsse, die nicht dem unzureichenden Netzausbau oder Wartungsarbeiten zuzordnen sind, fallen unter die Kategorie unvorhersehbar. Dies sind beispielsweise abnormale Wetterkonstellationen, die nicht prognostizierbar sind bzw. bislang nicht beobachtet wurden und erhebliche Mehr- oder Mindereinspeisungen zur Folge haben. Unvorhersehbar sind auch Ereignisse, die spontan durch Störungen hervorgerufen werden.
  • Verzögerter Netzausbau (häufig und zeitlich begrenzt): Aufgrund der Energiewende und dem damit einhergehenden Anstieg an EE-Einspeisern, aber auch der weiterhin langwierigen Genehmigungsverfahren für Leitungstrassen und der planungsbedingten Vorlaufzeit, liegt die Ursache vieler Engpässe in der erheblichen Verzögerung im Netzausbau.
  • Vermiedener Netzausbau(häufig und dauerhaft): Da aus wirtschaftlichen Gründen ein vollständiger Netzausbau auf jede Einspeisespitze erneuerbarer Energien nicht sinnvoll ist, wird mit der gesetzlichen Verankerung der Einspeisespitzenkappung eine neue Möglichkeit geschaffen, in der Netzplanung den Netzausbau zu optimieren.

Um den Engpässen entgegenzuwirken, stehen dem Netzbetreiber verschiedene Werkzeuge zur Verfügung, die gesetzlich geregelt sind. Die Systemverantwortung für Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) ist in § 13 EnWG detailliert festgelegt. Diese sind bei einer Gefährdung der Sicherheit ihres Netzes dazu berechtigt, Maßnahmen zur Beseitigung der Störung in folgender Reihenfolge durchzuführen:

  • Netzbezogene Maßnahmen (Netzschaltungen)
  • Marktbezogene Maßnahmen (Regelenergie, Engpassmanagement, ab- und zuschaltbare Lasten)
  • Zusätzliche Reserven (Netzreserve und Kapazitätsreserve)

Kann die Störung durch die oben genannten Maßnahmen (§ 13 Abs. 1 EnWG) nicht beseitigt werden, ist der ÜNB nach § 13 Abs. 2 EnWG verpflichtet, alle Stromeinspeisungen, Transite und Stromabnahmen in einem sicheren und zuverlässigen Betrieb anzupassen. Dies bedeutet konkret, dass die Einspeisung von Erzeugungsanlagen gedrosselt werden muss.

Gesetzlich ist festgeschrieben, dass der erzeugte Strom aus erneuerbaren Energien und hocheffizienten Kraft-Wärme-Kopplungs(KWK)-Anlagen vorrangig abgenommen werden muss (§ 11 EEG und § 3 KWKG). Dies bedeutet, dass bei einer Störung der Netzsicherheit vorrangig andere Erzeugungsanlagen abgeregelt werden müssen. Wenn jedoch die Einhaltung des EEG (bzw. KWKG) die Beseitigung der Störung verhindert, dürfen nach § 14 EEG, im Rahmen des sogenannten „Einspeisemanagements“, ausnahmsweise EE- und KWK-Anlagen abgeregelt werden. Wird eine solche Maßnahme nach § 14 EEG durchgeführt, ist der Netzbetreiber nach § 15 EEG verpflichtet den Anlagebetreiber für 95 % der entgangenen Einnahmen zu entschädigen. Grundsätzlich müssen immer die EZA abgeregelt werden, welche den größten Einfluss auf den Netzengpass haben. Befinden sich diese Anlagen nicht im eigenen Netzgebiet, sondern in untergelagerten Netzebenen, können die Netzbetreiber Anweisungen über die Kaskade weitergeben.

Die oben genannten Vorschriften gelten nach § 14 EnWG auch für alle VNB, die in ihren Netzen für die Sicherheit und Zuverlässigkeit zuständig sind.

Ein weiteres Werkzeug für ein sicheres, zuverlässiges und leistungsfähiges Energieversorgungsnetz stellt die Regelung zur Einspeisespitzenkappung (ESK) dar. Diese wurden vor kurzem zur Anwendung bei Onshore-Windenergieanlagen und PV-Anlagen in § 11 EnWG integriert. Bei der ESK können in der Netzplanung derzeit bis zu 3 % der jährlichen Stromerzeugung aus den genannten Anlagen abgeregelt werden. Dadurch will der Gesetzgeber die Voraussetzungen für einen wirtschaftlich zumutbaren Netzausbau schaffen. Der VNB erlangt durch die ESK mehr planerische Flexibilität für die Auslegung seines Netzes und muss nicht mehr einen Transport der „letzten Kilowattstunde“ vorsehen. Des Weiteren ist klar geregelt, dass der operative Netzbetrieb von der ESK unberührt bleibt. Folglich sind Netzengpässe, wie bisher, nach den Vorschriften in § 13 EnWG zu beheben. Außerdem sollen weiterhin die Anlagen vorrangig eingesenkt werden, die den größten Einfluss (somit die größte Netzdienlichkeit) auf den Netzengpass haben. Für den Anlagenbetreiber selbst ergibt sich aufgrund der ESK keine Änderung, die abgeregelte Energie wird ebenfalls nach § 15 EEG vergütet.