Forschungsprojekt Q-INTEGRAL erfolgreich abgeschlossen

Vertreterinnen und Vertreter des Projektkonsortiums Q-Integral am Abschlussworkshop bei 50Hertz in Berlin (Foto: H. Schuster)

Die Erzeugungs- und Verbrauchslandschaft verändert sich. Stromnetze werden vor neue Herausforderungen gestellt. Woher kommt in Zukunft nach dem Wegfall der Großkraftwerke die Blindleistung, die zur Spannungshaltung im Netz benötigt wird? Können erneuerbare Energien hier einen Beitrag leisten? Wie können Betreiber von Stromnetzen die schwankenden Potentiale dieser Anlagen einplanen? Diesen und weiteren Fragestellungen widmete sich in den vergangenen drei Jahren ein Team um Doktorand Johannes Rauch unter der Leitung von Prof. Dr.-Ing. Oliver Brückl im Projekt Q-Integral.

Abbildung 1: Schematische Darstellung der netzplanerischen Problemstellung eines spannungsebenenübergreifenden Blindleistungsmanagements

Für ein sicheres und zuverlässiges Stromsystem muss die Spannung im Normalbetrieb als auch in kritischeren Ausfallsituationen allzeit gehalten werden. Hierfür wird bisher Blindleistung (Q) hauptsächlich aus Blindleistungskompensationsanlagen und konventionellen Großkraftwerken eingesetzt. Zukünftig wird von der EU eine marktgestützte Beschaffung dieser Dienstleistung zur Spannungsregelung vorgeschrieben. Es bedarf somit angepasster Netzbetriebs- und Netzplanungskonzepte für ein technisch effizientes und wirtschaftlich günstiges Blindleistungsmanagement. Die Forschungsstelle für Energienetze und Energiespeicher (FENES) an der OTH Regensburg forscht unter der Leitung von Prof. Dr.-Ing. Oliver Brückl zu diesem Thema in Zusammenarbeit mit der TU Braunschweig und dem Fraunhofer ISE im Rahmen Projektes Q-Integral.

Dabei wird verstärkt der Blick auf die Netzplanung gelegt. Es wurden Prozesskonzepte und -ansätze entworfen, um vorhandene Blindleistungsquellen bedarfsoptimal einzusetzen (in Abbildung 1 hellblau markiert) und neue, zusätzlich erforderliche Blindleistungskapazitäten im Netz technisch und wirtschaftlich optimal zu platzieren und zu dimensionieren (in Abbildung 1 orange markiert). Durch Lastfluss- und Ausfallsimulationen werden Stromflüsse in Netzmodellen nachgebildet, während die Knotenspannungen mittels Optimierungsalgorithmen innerhalb definierter Auslegungsgrenzen gehalten werden. So können rechnergestützte Handlungsempfehlungen abgeleitet werden, die dabei helfen sollen, Investitions- oder Einsatzentscheidungen bezüglich der erforderlichen Blindleistungskapazitäten zu treffen. Zusammen mit den projektbeteiligten ostdeutschen Übertragungs- und Verteilungsnetzbetreibern 50Hertz Transmission GmbH, E.DIS Netz GmbH, WEMAG Netz GmbH und TEN Thüringer Energienetze GmbH & Co. KG wurden die Konzepte praxisorientiert und netzbetreiberübergreifend entwickelt sowie in deren Netzregion angewendet.

Die Prozessansätze sind modular aufgebaut und bestehen aus drei Teilprozessen (siehe Abbildung 2). Die Entscheidungsfindung beruht dabei auf zwei Säulen: die Analyse der sog. Spannungsänderungsbedarfe und die Analyse der Blindleistungspotenziale, bei der verschiedene Blindleistungsbereitstellungsoptionen hinsichtlich ihrer Bedarfsdeckungseignung bewertet werden. Im Projekt wurden dazu auch Blindleistungspotenziale von erneuerbaren Energieanlagen und Industriebetrieben untersucht und berücksichtigt. Für Letztere führt die OTH Regensburg gemeinsam mit der KBR Kompensationsanlagenbau GmbH Messungen bei Industriebetrieben durch und erarbeitet ein internes Blindleistungsmanagement. Im letzten Prozessschritt werden die Blindleistungssenken mit den Q-Quellen mithilfe eines Optimierungsverfahrens verknüpft und zusätzlich erforderliche Blindleistungskapazitäten identifiziert. Das Verfahren verfolgt dabei das Ziel einer volkswirtschaftlich günstigen Blindleistungsplanung und berücksichtigt zugleich (durch sog. Lastflusssensitivitäten) die technische Effizienz der verschiedenen Blindleitungsbereitstellungsoptionen im Netz.

Abbildung 2: Q-Netzplanungsprozess

Eine besondere Herausforderung bei der Entwicklung eines ersten Prozessprototyps bestand darin, eine Lösung des komplexen Planungsproblems für eine relevante Anzahl an Netznutzungsfällen herbeizuführen. Durch die Entwicklung geeigneter Berechnungsstrategien gelang es dem Projektteam an der FENES, die Optimierungsmodelle erster Anwendungsfälle in einer adäquaten Rechenlaufzeit zu lösen.

Autor: Johannes Rauch, FENES

Weitere Artikel finden Sie unter der Rubrik Aktuelles.