C/sells entlastet Stromnetze durch flexible Verbraucher

Die OTH-Mitarbeiter Matthias Wildfeuer, Thomas Sippenauer und Johannes Rauch bei der Vorstellung von Projektergebnissen auf der Konferenz ScienceLab im Januar 2020 in Berlin (Foto: Thomas Sippenauer)

Wissenschaftler der OTH Regensburg haben über die vergangenen vier Jahre hinweg am Forschungsprojekt C/sells, dem größten deutschen Demonstrationsvorhaben im Bereich Energiewende, mitgearbeitet. Ziel war es, die Flexibilitätspotenziale von Einspeisern und Verbrauchslasten in den „Sonnenländern“ Deutschlands zu heben. Die OTH-Forscher zeigten ein solches Potenzial auf, indem sie unter anderem Trinkwasserpumpen der Kreiswerke Cham zu Zeiten hoher Photovoltaikeinspeisung verstärkt betrieben.

Die Forschungsstelle für Energienetze und Energiespeicher (FENES) der Fakultät Elektro- und Informationstechnik beteiligte sich unter Leitung von Prof. Dr.-Ing. Oliver Brückl an dem vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie im Rahmen des SINTEG-Programms geförderten Forschungsprojekt. Schwerpunkt an der OTH Regensburg war die Abbildung von zeitlichen Verlagerungen von Einspeisungen und Verbrauchslasten in der Mittelspannungsebene. Diese sogenannten Flexibilitätsmaßnahmen sollen im Zuge der Energiewende neben bereits etablierten Lösungen künftig einen Beitrag zur weiteren Integration von erneuerbaren Energieerzeugungsanlagen und E-Mobilität liefern. „Mehr Flexibilität ist notwendig, weil die Stromnetze vor allem auch in den unteren Spannungsebenen durch Photovoltaikanlagen und Elektromobilität immer stärker ausgelastet werden“, macht dazu der Doktorand Thomas Sippenauer, der das Projekt von Anfang an mitbegleitet hat, deutlich.

Überschüssen effektiv entgegenwirken

Die Untersuchung mehrerer städtischer und ländlicher Netzgebiete zeigte einen sehr individuellen prognostizierten Flexibilitätsbedarf – sowohl was die Leistungshöhe als auch die zeitliche Verteilung betrifft. Zur Beschreibung der netzseitigen Flexibilitätsanforderungen wurde deshalb zunächst eine auf alle Netzgebiete übertragbare Charakterisierung eingeführt. Mithilfe dieser lässt sich nun analysieren, welche Leistung von einem Flexibilitätsanbieter  – das können z. B. Power-to-Heat-Anlagen, aber eben auch Trinkwasserpumpen sein – angefordert wird sowie wann und wie lange dieser in Betrieb sein muss. Mit diesem Wissen kann einem Überschuss an Einspeisungen oder Verbräuchen im Verteilungsnetz vor Ort effektiv entgegengewirkt und die Spannung in den zulässigen Grenzen gehalten werden. Abhängig von der örtlichen und zeitlichen Verfügbarkeit solcher Flexibilitätspotenziale wurde im weiteren Verlauf auch eine vereinfachte wirtschaftliche Bewertung ermittelt.

Großes Potenzial mit geringem Mehraufwand

Die praktische technische Umsetzbarkeit wurde schließlich mit einem Feldversuch anhand des Trinkwasserversorgungssystems der Kreiswerke Cham aufgezeigt. Dabei zeigte sich, dass die Pumpensteuerung mit geringem Mehraufwand so angepasst werden konnte, dass die vorrangig nächtliche Befüllung der Hochbehälter bei Bedarf in den Mittagsstunden, in denen viel Photovoltaik-Strom eingespeist wird, erfolgt. Ist dies der Fall, trägt die Flexibilisierungsmaßnahme so zur Entlastung des Stromnetzes bei (s. Abbildung 1). Zu betonen ist, dass keine kostenintensiven Erweiterungen der bestehenden Pumpen und Hochbehälter erforderlich sind und somit allein in der deutschlandweiten Trinkwasserversorgung bereits heute von einem nicht unerheblichen Flexibilitätspotenzial ausgegangen werden kann.

Abbildung 1: Beispiel für eine Flexibilitätsanforderung im Zeitraum 10-14 Uhr

Die bisherigen Erkenntnisse zur Verankerung von Flexibilitätsmaßnahmen in der Netzplanung werden aktuell von Thomas Sippenauer im Rahmen eines Promotionsvorhabens in Kooperation mit der TU München noch detaillierter untersucht.

Autoren: FENES, Thomas Sippenauer

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